TWIKE-Challenge x 0,1

oder wie man mit halbtoten Batterien von Düsseldorf nach Luckau/Brandenburg und wieder zurück kommt.

Man muss schon ganz schön bescheuert sein, um mit derart schrottreifen Akkus eine 1400km-Tour zu wagen, aber aus Mangel an alternativen Verkehrsanbindungen (kein anderes Auto, katastrophale Zugverbindungen) blieb mir halt nichts anderes übrig. Da waren schliesslich diese beiden Konzerte auf der German-Bike-Week und da musste ich halt unbedingt hin! Versprochen ist Versprochen!

Also am Mittwoch nach der Arbeit ins TWIKE 042 gehüpft und erstmal die üblichen 140km zu meinen lieben Eltern ins tiefste Westfalen gebrettert. Tankstops wie üblich: Dr. Schröer/TWIKE-Velbert, ISOR/Dortmund und meine lieblings-DEA-Tanke bei Werl.

Donnerstag morgen dann der Monster-Anteil: über 300km unbekanntes Terrain (TWIKE-Touren mit vorher festgelegten Tankstopps sind doch was für Weicheier!). Tankstopps in Paderborn, Ottbergen (Hier hat ein Autofahrer mit dem "WasIssDasDenn"- Blick beim zurücksetzen erstmal den Aral-Staubsauger umgenietet. Das die Leute gegen Laternenpfähle laufen wusste ich ja schon, aber das hier war neu), Eschershausen, Bad Gandersheim, Langelsheim, Bad Harzburg, Stapelburg (bei Privatperson mit Kabeltrommel, weil: auf der Suche nach Tankstelle derbe verfahren!), Halberstadt (BP-Tankstellenpersonal blieb freundlich, obwohl ich zweimal den Sicherungsautomaten rausgeschossen habe! Grosses Lob!) und schliesslich bis nach Egeln-Nord (hier hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, auf dem Gelände einer Dea-Tankstelle ersmals im TWIKE zu übernachten. Bequemer als ich erwartet hatte!). Leider hat mich das Frühschicht-Personal frühzeitig erstmal ausgestöpselt und da meine Akkus eine Selbstentladung wie ein schweizer Käse haben und ich mich mal wieder verfahren hatte, kam dann noch ein ungeplanter Tankstopp bei einer Spedition in irgendeinem Industriegebiet vor Magdeburg hinzu.

Die nächste Tankstelle weigerte sich mal wieder, mir Strom zu verkaufen, so das beim nächsten Tankstopp jetzt "McDonalds" in meiner Liste steht. Weitere Tankstopps am Freitag waren: Gommern (wieder zweimal die Sicherung rausgepfeffert und wieder blieb das Personal unglaublich freundlich! Nochmal grosses Lob, diesmal an Aral!), Coswig, Lutherstadt/Wittenberg, Jessen (Hier stand auf einmal jemand mit Kamera und Notizblock vor mir und redete irgendwas von "Lokalpresse" und "Interview" weil: "Sowas hatten wir hier noch nie!"), Böllersdorf (eigentlich wollte ich noch bis Dahme kommen, aber der Berg war doch etwas steiler als erwartet und dann sah ich diesen Betonmischer und dachte mir: "STROM!!!"

Die Privatleute in Neufünfland (auch "Beitrittsgebiet" genannt) sind unwahrscheinlich gastfreundlich ("Nun kommen Sie schon endlich Kaffeetrinken, jetzt habe ich schon eingeschenkt!" oder "Wo geht's jetzt hin?" - "Nach Paserin, ich habe da ein Zimmer, glaube ich, auf irgendeinem Pferdehof." - "Bei Stirnal?" - "Ja!" - "Kenne ich! Schöne Grüsse!") und so kam ich dann doch noch bis zum letzten Tankstopp für Freitag:) Paserin.

Nach einer ausgiebigen Dusche und dem anlegen angemessener Kleidung (Schon mal im Minirock im TWIKE an einer Gruppe Skinheads vorbeigefahren? Interessante Erfahrung!) ging es dann weiter durch Luckau auf das Gelände der Mehrzweckanlage (ehemaliger Flugplatz) eine alte Rollbahn runter bis ins "Hell's Angles Territory". Und meint ja nicht, die Jungs hätten mich aufs Gelände gelassen! ("Dat iss ?n Biker- Treffen und kein Solarmobil-Treffen hier") Anstatt sich solidarisch zu erklären mit allem, was keine vier Räder hat, na ja, wenigstens haben sie mir am Samstag zwei Kilowattstunden aus einem ihrer Stromaggregate gegönnt und die beiden Konzerte und das ganze Drumherum waren den ganzen Zirkus allemal wert.

Leider hat sich dann am Samstag morgen meine Batterie 2 bedingt durch unfreiwillige Tiefentladung vollständig verabschiedet (eine Spannungsdifferenz von über 8 Volt NACH dem Laden baut einen nicht gerade auf) und nach einer Probefahrt von 15km stellte sich mir die Frage: "Und wie komme ich jetzt wieder nach Hause?" Ich habe mir also geschworen, an keiner Tankstelle mehr vorbeizufahren, ohne nach Strom gefragt zu haben und bin mit diesem Vorsatz am Sonntag Morgen um halb eins bei der Elf-Tankstelle in Luckau in einen Trupp Skinheads geraten. Zum Glück überwog das Interesse an "dieser komischen Karre" und nach einer politisch korrekten Probefahrt (Ich links, Skinhead rechst) hat man mich dann ziehen lassen. Wenn die Jungs durchs TWIKE-Fahren vom Ausländer- Verprügeln abzuhalten sind, gebe ich gern noch ein paar Gratis-Fahrstunden.

Nachdem ich am nächsten Morgen dann in Dahme bei meinem Tankstopp erstmal eine geschlagene Stunde warten musste, bis die Akkus soweit abgekühlt waren, das die Ladung einsetzte, habe ich kurzentschlossen nach der Ladung das Stromkabel (nicht das Datenkabel) der Batterie 2 abgezogen. Und siehe da: Das TWIKE fährt! Und sogar 40km in einem Rutsch! Nach abklingen meines Jubelgeschreis habe ich mich dann entlang bekannter Tankstopps Richtung Westen zurückgehangelt.

Hinter Coswig bin ich dann wieder mutiger geworden und habe meine Route über Dessau und Calbe nach Egeln verlegt und mir so wieder einen Tankstopp bei Privatpersonen in Patzetz eingehandelt. Übernachtet habe ich bei BP in Halberstadt und bin dann über Wernigerode, Bad Harzburg, Langelsheim und Seesen gefahren. Kurz hinter Bad Harzburg bin ich dann versehentlich auf einer Schnellstrasse gelandet und nachdem ich mühsam auf 60km/h beschleunigt hatte, schaltete sich mein TWIKE ab. Fehler Batterie-Sicherung! Sowas kann passieren, wenn man mit einer abgeklemmten Batterie fährt und zu große Ströme zieht.

An Bad Gandersheim bin ich Dussel dann vorbeigefahren und da in Kreiensen keine Tankstelle zu finden war, bin ich per schleichfahrt nach Einbeck gelangt. Diese Shell-Tankstelle: der Traum aller Solarmobilisten! Vier Staubsauger, ein Ölabsauger und ein Duftsprüher und alle mit 16-Ampere- Doppelsteckdosen! Und von der Werkstatt rede ich gar nicht! Mein TWIKE wollte gar nicht wieder weg.

In Dassel dann das krasse Gegenteil: Eine Raiffeisen-Münz-und-Karten-Tanke. Ich musste 20 Minuten warten, bis das Personal ihre Mittagspause beendet hatte und ich nach Strom fragen konnte. Wenigstens hat sie nicht nein gesagt. Und dann habe ich noch den Fehler gemacht, die auf der Karte kürzer aussehende Route über Neuhaus nach Höxter zu wählen. 16km und 528 Höhenmeter mit dreiviertel-toten Akkus und vollbeladenem TWIKE sind ?ne ganz schöne Plackerei. Zum Glück gab es in Neuhaus eine Tankstelle. Dort hat man mich zwar nach einer Dreiviertelstunde und einer Mark für Strom mit den Worten "Ich kann das ja gar nicht kontrollieren hier! Ich bin doch nicht die Wohlfahrt" ausgestöpselt, aber so hatte ich dann wenigstens was, wo ich die Energie reinrekuperieren konnte, denn danach ging es erstmal nur bergab.

In Ottbergen habe ich mich dann erstmal nach dem Gesundheitszustand des Staubsaugers erkundigt (hat ganz schöne Beulen, das arme Ding!) und danach konnte man auf dem Weg über Bosseborn nach Brakel den ganzen Berg hoch lautes Fluchen aus dem TWIKE 042 vernehmen: "Wenn ich den Idioten erwische, der sich diese Umleitung ausgedacht hat!" Die B64 war leider gesperrt und in Brakel waren meine Batterien rekuperationsbedingt dann auf 48 Grad aufgeheizt, so das ich wieder mal eine Weile warten musste, ehe ich laden konnte. Aber das war ja noch gar nichts im Vergleich zu der Ortschaft, die danach kam. So aussergewöhnlich, dass ich ihr in diesem Bericht ein eigenes Kapitel widme:

Dad Driburg

Als ich zur Ortseinfahrt reinkam, stand da BAD Driburg auf dem Schild. Ich denke mir also: BAD gleich Kurort gleich Gastfreundlich (Böser Irrtum!). Ein Polizeibeamter, der zufällig gerade mit einer Pizza bewaffnet aus seinem Streifenwagen stieg, gab mir auch freundlich eine Auskunft, wo die nächsten beiden Tankstellen zu finden sind. Nachdem ich dann 800 Meter stromsparend den Berg bis zur Shell- Tanke runtergerollt war, nahm mein Albtraum seinen Lauf. Beide Tankstellen weigerten sich (nach telefonischer Rückfrage mit ihren Chefs und nachdem sie mehr an Personal- und Telefonkosten verbraten hatten, als ich auf den letzten 300km an Strom benötigt hatte) mir für eine Mark etwa zwei Kilowattstunden Strom zu verkaufen (mehr passte in die kaputten Batterien nicht mehr rein). Der Filialleiter von McDonalds hatte zwar eine furchtbare Panik, sein Chef könne ihn feuern, wenn er mir Strom gibt, aber ich konnte so wenigstens in Erfahrung bringen, das es noch eine dritte Tankstelle (Esso) am Ort gibt. Leider musste ich auf dem Weg dorthin wieder den Berg rauf und selbst nachdem ich die Batterie 2 mit dem Gedanken "ein bisschen muss da ja noch drin sein" wieder eingestöpselt hatte bin ich nur wieder bis zur Polizei gekommen. Da es mittlerweile dunkel wurde und ich nicht als Verkehrsgefährdung ohne Licht durch den Ort schleichen wollte, habe ich kurzerhand den Wachhabenden auf der Polizeiwache um Rat gefragt. Man rief die Esso-Tanke an und entlockte dem Inhaber den Kommentar "Wir verkaufen hier Benzin und keinen Strom". Auf die Frage hin, ob man mir denn aus den Beständen der Polizei im Gegenzug zu einer edlen Spende in die örtliche Kaffeekasse eine oder zwei Kilowattstunden vermachen könne, bekam ich nur ein "Ich werde den Teufel tun, Ihnen Strom zu geben" zu hören und fand mich auf der Strasse neben meinem TWIKE wieder. Soviel zum Thema "Dein Freund und Helfer", aber jetzt weiss ich wenigstens, warum die Hell's Angles immer über die "Grünen Männchen" ablästern. Also, Not-Aus gedrückt und auf der Suche nach einer Steckdose den nächsten Berg hochgetigert. Nach einem erfolglosen Versuch bei einer Eisdiele bin ich dann an einer Schranke vorbei bei einer Gaststätte (und ich meine GASTstätte) angekommen, wo man mir Strom zugesagt hat, falls ich an der dummen Schranke vorbeikomme.

Nochmal schnell als Plan B die Spannung der Aussensteckdose des Supermarktes getestet, an dem ich zuvor vorbeimarschiert war und dann wieder "Motorünterstütztes TWIKE-Schieben". Mit einem lauten "Hurra" an der Schranke vorbei (Auf der Tour de Ruhr hätte es dafür 100 Geschicklichkeitspunkte gegeben) und vor der "Mühlenschänke" auf den Gehweg gerollt. Hier gab's dann Strom und gekühlten Flüssigtreibstoff für den Hilfsmotor (Cola) und die Wartezeit war auch nicht langweilig, da meine Gastgeber es sich nicht nehmen liessen, nach aller herzenslust über die Eingeborenen Driburger abzulästern ("Wir sind ja zugezogen! Und das BAD lassen wir weg, weil das hat was mir Kurort und Gastlichkeit zu tun und das findet man hier zu selten"). Von soviel Gastfreundschaft total geplättet hätte ich fast verpasst, wie die Inhaberin der Mühlenschänke, Frau Paulig, meine ganze Tour mit nur einem Satz beschrieben hat: "Diese Erfahrungen kann einem keiner mehr wegnehmen!" Nach einer aussergewöhnlich unterhaltsamen Stunde "Tankzeit" (die ganze "Driburg-Erfahrung" hat mich etwa zweieinhalb Stunden gekostet) konnte ich mich dann wieder auf den Weg machen und bin auch in einem Rutsch bis nach Paderborn gekommen.

Nochmal schnell bei drei Tankstellen nach Strom gefragt und dann weiter bis Stirpe. Hallo Hund, Hallo Steckdose und Verlängerungskabel, Hallo Sofa! Was danach kam, weiss ich nicht mehr, da ich irgendwann um kurz nach zwei Uhr morgens in einen Koma-Ähnlichen Zustand gefallen bin aus dem mich erst mein Daddy am nächsten Morgen ins reale Leben zurückgeholt hat.

Die 140 km zurück nach Düsseldorf hatten auch noch einige Highlights zu bieten. Nachdem ich mich in Dortmund wieder mal verschätzt hatte waren ein Kilometer schieben und ein ungeplanter Tankstopp (peinliche 2km vor dem ISOR-Büro) fällig, aber dafür durfte ich bei der ISOR beim Verladen des Rennsolarmobils (Tour de Ruhr Startnummer 105) mithelfen. Das Ding mag in Fahrbereitem Zustand die Abmessungen eines mittleren LKW haben, aber zusammengefaltet passt es in (und auf) einen gewöhnlichen Kombi mit Dachgepäckträger! Ob man ein TWIKE auch als "Klapprad" konstruieren könnte? Ein Wohnmobil habe ich ja jetzt schon! Noch ein weiterer Tankstopp bei Aral und dann konnte ich Dr. Schröer sagen hören "Mensch, deine Batterie zwei ist ja total im Eimer!". Schnell noch die 3 in 2 umprogrammiert und der TWIKE-Elektronik die dritte Batterie "aus dem Kopf geschlagen" und nach einem weiteren Tankstopp (vorsichtig geworden!) in Düsseldorf eingetrudelt (muss irgendwann um ein Uhr Morgens gewesen sein).

Fazit: 1378,2km quer durch die Hölle und Zurück! Ich bin froh, das ich es gemacht habe, ich bin froh, das es vorbei ist und ich würde es jederzeit wieder tun!

Am Mittwoch bin ich dann zu Conrad und habe mir erstmal zwei vernünftige Lötkolben besorgt und anschliessend versucht, meine beiden verbleibenden Batterien zu flicken. Dabei ist mir leider die Platine von der Batterie 2 (Ehemals 3) hops gegangen. Auf die Anfrage hin, ob er mir nicht schnell die Platine von der Bat3 wieder umprogrammieren könne, weil ich ja am Donnerstag noch nach Rodgau wollte wegen nochmal Konzert und so, meinte Wim Leder nur "Setz dich in die Bahn, verdammt nochmal!". Das habe ich dann auch gemacht. Fazit dieser Tour: Konzert war noch besser, Zugverbindungen katastrophal wie immer und ausserdem schläft es sich im ICE sehr unbequem. Zum nächsten Konzert im August fahre ich wieder TWIKE. Meine beiden verbliebenen Batterien sind mittlerweile durch ein weiteres mal Tiefentladen auch verstorben und so habe ich meine Batterieprobleme nun endgültig durch Finanzprobleme ersetzt, das heisst, ich habe meinem TWIKE auf Kredit zwei neue Sanyo-Batterien spendiert. Da habe ich dann wenigstens die nächsten drei Jahre was von, denn solange dauert es, bis ich den Kredit zurückgezahlt habe.

Mein besonderer Dank gilt:
Allen Tankstellenpächtern und Privatpersonen die mir unterwegs Strom gegeben und so diese Tour in dieser Form überhaupt erst möglich gemacht haben!
Christiane und Marcus Paulig von der Mühlenschänke in (Bad) Driburg, meinen heldenhaften Rettern aus höchster Stromnot!

Der Band Rockbitch und insbesondere dem Bandmitglied Kali sowie der deutschen Bahn AG, die diese Tour in dieser Form überhaupt erst NÖTIG gemacht haben!

Falls noch jemand irgendwelche Fragen hat wie z.B. "Wie kann man nur so bescheuert sein?" oder "Wie schläft es sich im TWIKE denn so?" oder gar "Kann ich bei so einer Tour mal mitfahren?" dann wendet euch vertrauensvoll an

Natascha Marion "SternFuchs" Schlüter
TWIKE 042 (for two)
Sankt-Franziskus-Str. 17
D-40470 Düsseldorf
Tel. 0211/6108625 oder 0211/874-3147
e-mail: sternfuchs@surfeu.de

P.S. ich habe auch noch ein zur Zeit nicht zugelassenes Mini-el bei meinen Eltern in der Garage stehen und träume immer noch von einem seriellen Hybrid (TWIKE nach Möglichkeit, Mini-el ist mir auch recht). Kontakt zu Bastlern aller Art ist mir also auch sehr willkommen.