Rennsolarmobil Helix


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Empfindungen eines Rennsolarfahrzeug-Piloten

von Joachim Kamm

Zugegebenermaßen ist in einem Team die Aufgabe, ein Rennsolarmobil zu fahren, die schönste vor allem aber sicherlich auch nicht die leichteste. Weshalb, soll dieser Artikel darstellen.

Vorauszuschicken ist, daß ich es eigentlich noch nie erlebt habe, ausgeruht und ausgeschlafen auf einer Solar-Ralley zu starten. Meistens sind die letzten Vorbereitungen in Form von Nachschichten über die Bühne gegangen und ich bin deshalb meist von einer einzigartigen Mischung von Nervosität und Müdigkeit erfüllt. Dazu kommt noch, daß der Tag natürlich mit dem Sonnenaufgang beginnt, weil das Panel auszurichten ist - übrigens immer ein schöner Moment, wenn die ersten Milliampères zu fließen beginnen.

Nach dem Frühstück und dem obligatorischen Briefing (die Organisatoren erklären Streckenverlauf, Zeiten, Besonderheiten etc.) geht's schon bald an die Startlinie. Hier sind noch etliche Minuten zu warten, während derer ich mir die Strecke und die einzuhaltenden Schnittgeschwindigkeiten, Ankunftszeiten usw. nochmals anschaue. Die Vorfreude ist in diesen Momenten immer sehr groß und innerlich kehrt zunehmend Ruhe ein. Ich sitze im Cockpit, der Speaker rennt aufgeregt herum und erzählt Storys, aber ich habe die größte Unruhe schon hinter mir. (Während des Briefings habe ich immer einen Stein im Brauch). Richtig ruhig wird's wenn die Haube geschlossen wird - meist 1 bis 2 Minuten vor dem Start. Ich bin alleine mit Helix - der typische leichte Epoxidharzgeruch, die vertrauten Instrumente, die bequeme Liegeposition. Es folgt die Kontrolle der Instrumente, ca. 20 sec. vor dem Start schalte ich die Steuerung ein und kontrolliere - aufgrund schlechter Erfahrungen - grundsätzlich ob die Fahrtrichtung auf vorwärts steht. 5 sec. vor dem Start gehe ich sanft aufs Strompedal um zu checken, ob Helix auch wirklich anspricht und wenn sich die Startflagge hebt ziehen wir los - moderat, immer mit einem Auge auf dem Amperemeter, denn es gilt hohe Ströme zu vermeiden. Es wäre natürlich spektakulärer für die Zuschauer, wenn wir richtig abdüsen würden, aber da alle Ralleys auf Energieeffizienz ausgelegt sind, gilt es zu sparen, auch während der Fahrt.

Größte Aufmerksamkeit verlangt die Ausschilderung der Strecke, es wäre fatal, wenn ich mich verfahren würde. Ständig vergleiche ich die Ausschilderung mit der Karte und den Angaben im Fahrerhandbuch, kalkuliere den Schnitt, die Reststrecke und die dazu zur Verfügung stehende Zeit. Zur Erklärung: Wir müssen zu einem exakt vorgegebenen Zeitpunkt im Ziel sein, sowohl zu früh als auch zu spätes Ankommen gibt Strafpunkte. Eine große Hilfe hierbei ist der dieses Jahr neu montierte Tacho mit Schnittgeschwindigkeitsangabe. Dazu kommen noch ständige Enerbiebilanzierungen. Diese sind notwendig, da die Veranstaltungen, in der Hauptsache durch die sehr raffitückischen Zusatzrunden entschieden werden. Diese Zusatzrunden sind oft mitten in der Rallye und es gilt das Motto: fahre ich eine zuviel, reicht die Energie eventuell nicht bis ins Ziel; fahre ich eine zuwenig, dann freut sich die Konkurrenz. Deshalb müssen ständig Faktoren wie Verbrauch, das Wetter und der Restenergieinahlt der Batterie neu kalkuliert werden. Wenn man nun immer genau wüßte, wieviel Amperestunden man aus der Batterie herausgeholt, wäre es wohl etwas einfacher. Da aber dies von den Entladeströmen abhängig ist, kann man hier auch nur von Erfahrungswerten ausgehen. Wie zu sehen ist, fährt man also in einem solchen Fahrzeug nicht nur frohgemut vor sich hin, sondern man hat so allerhand zu tun. Trotzdem ist es ein unbeschreibliches Gefühl, auf diese Art zu fahren. Fast lautlos, angetrieben mit Sonnenenergie hat man doch immer wieder etwas Zeit zum genießen. Ich schaue dann gerne rechts und links auf die Solarzellen und bin auf Neue fasziniert, daß diese unscheinbaren Platten diese Art der Fortbewegung ermöglichen. Wenn dann Pässe hochgeht wie auf der ASEM letztes Jahr, wird einem deutlich, wieviel mit dieser Technologie machbar ist, und wie schade es ist, daß dies so wenig bekannt ist.

Spannend wird es dann jeweils wieder gegen Ende jeder Etappe, vor allem wenn das Ziel in einer größeren Stadt liegt. Geht man auf Nummer sicher und fährt mit viel Zeitreserve in die Stadt ein, muß man sich eventuell irgendwo ein ruhiges Eckchen suchen und die Ankunftszeit abwarten, pokert man hoch und fährt nahe am Schnitt, muß man hoffen, daß einen nicht die "rote Welle" oder ein Verkehrsstau erwischt. Ist der Zielstrich passiert, geht der Run auf die Sonne los: Möglichst schnell die optimale Stelle auf dem Parkplatz finden, wo möglichst lange die Sonne hinscheint, das Panel hoch, ausrichten und das Fahrzeug absperren, da die Zuschauer ja mit Vorliebe ihre Schatten aufs Panel werfen.

Besondere Bauchschmerzen bereitet allen Piloten immer wieder die Sonderprüfung "Rundstreckenrennen". Helix hat zwar die Beschleunigungswerte eines Sportwagens und eine sehr gute ausgewogene Straßenlage, aber primär ist er doch auf extremem Leichtbau konstruiert, d. h. bei allen Rundstreckenrennen muß man immer wieder das Material aufs härteste beanspruchen. Deshalb steht immer die Entscheidung an, ob man aufs ganze geht oder vielleicht etwas schonender fährt.

Hierin haben wir ja schon genügend Erfahrungen gesammelt. Auf der Tour de Sol 92 zum Beispiel, beim Rundstreckenrennen in Lausanne war ich wohl etwas zu schnell - mehr als 4 sec. Vorsprung vor dem Hauptkonkurrenten Teddy Woll von der Akasol Darmstadt. Dann sprang die Antriebskette aufgrund der extremen Querbelastung herunter. Zwei Wochen später, bei der Tour de Ruhr fuhr ich etwas zu verhalten und es reichte wegen zwei Sekunden nicht zum Sieg. So lernt man von Rallye zu Rallye dazu, lernt das Fahrzeug und auch sich selbst besser kennen.

Einer der schönsten Momente bisher war gegen Ende der diesjährigen Tour de Sol: Nach der Zieldurchfahrt in Saas Fee fuhren Pinky, Helix und der Karlsruher Delphin noch Zusatzrunden. Zwar hatte ich fast nur noch eine theoretische Chance auf den Sieg, trotzdem lauerte Teddy ständig hinter mir und war sicherlich nervös. Als endlich die Batterie leer war und ich rechts rausfuhr, ob er kurz seine Haube, fragte: leer? und als ich lachend nickte, strahlte er wie ein Pfannekuchen und reckte die rechte Faust hoch. Der große Teddy, dreimaliger Weltmeister, hatte Angst vor uns. Ich glaube, wir haben etwas erreicht.

Joachim Kamm

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Elektrofahrzeug.net letzte Änderung 08.07.99